Kann die IBA‘27 die selbst gestellten Erwartungen 2027 erfüllen?
Von Christian Köhler gehalten am 17.04.2024 auf einer Sitzung der Regionalversammlung in der Liederhalle Stuttgart.
Eine einfache Frage, aber doch unpräzise formuliert.
Denn darin sind gleich mehrere Unbekannte: Was sind denn die selbst gestellten Erwartungen der IBA, wer hat sie denn gestellt,diese Erwartungen, und was definiert denn bitte das Erfüllen dieser Erwartungen?
Und um hier nur beiläufig auf das Thema Wohnen einzugehen: Ja, Wohnen ist ein besonderes Gut.
Aber wenn in dem Antrag erneut die Problematik der Wohnraumversorgung angesprochen wird, so wundert mich das grenzenlose Selbstbewusstsein, mit dem man genau jene Probleme im Antrag anspricht, die man immer wieder aufs Neue selbst erzeugt.
Wer als Speerspitze einer offenen Grenzpolitik fungiert, sollte sich nicht als Kümmerer bei der Wohnraumversorgung aufspielen. Und er sollte sich auch nicht als Kümmerer der IBA aufspielen. Denn er hat uns die Diskussion um die Landeserstaufnahmeeinrichtung in Fellbach und den möglichen Ausstieg Fellbachs aus der IBA erst eingebrockt.
In jedem Fall ist klar, dass diese IBA in ein unglückliches zeitliches und wirtschaftspolitisches Umfeld gerutscht ist, auf dem ihr die schiere Erfüllung ihres Grundauftrags, nämlich moderne Gebäude zu präsentieren, erschwert bis verunmöglicht wird.
Mangels Fertigstellungskapazitäten und Fertigstellungswillens, was den Bau dieser Gebäude angeht. Denn Bauen lohnt sich häufig schlicht nicht mehr.
Wenn nur ein Drittel der geplanten Ausstellung-Einheiten tatsächlich fertiggestellt wird und die Fertigstellung des Rests sich mehr oder weniger nur in Teil-Einheiten vollbringen lässt, bis hin zu reinen Plakat-Phantomen, die lediglich darstellen sollen, wie es dort einmal ausschauen soll.
Wenn also das Ganze so unfertig präsentiert werden muss, ist das vielleicht ein bisschen auch Symbolbild für die Gesamtsituation eines Landes, dem nichts mehr so recht gelingen will.
Es ist in jedem Fall klar, dass diese IBA in diesem Umfeld, in diesem Land, entschuldbar ist. Dass die IBA zurecht auf Entlastung pocht für den problematischen Verlauf der Gebäudeerstellung, das sehen wir genauso.
Eine Architektur voller vermeintlich spannender Projekte wie Holzparkhäuser, modulhaftes Bauen, dicke isolierte Wände usw. Gewissermaßen mit Holz, Polystyrol und Windrad in die neue Zeit,
präsentiert die IBA Versatzstücke einer gefallsüchtigen Kreativität, der vom Ministerpräsidenten bis zum Landrat jeder erbaut folgen kann. Nachhaltige Erbauungsarchitektur im Konsens. Wo alles sich immer stets wiederverwerten lässt und man sich überhaupt nicht mehr um menschliche Freiräume kümmert.
Im Gegenteil, der Mensch wird dort im Wesentlichen als Natur-Schädiger konzipiert, den es klein zu halten gilt. Dessen Bewegungsräume einzuengen sind, beim Einkaufen, beim Arbeiten, usw. und alles stets mit ganz furchtbar plausiblen Argumenten.
Kurz: Eine Architektur oder ein Architekturprozess als Anpassung an den herrschenden Nachhaltigkeits- und Transformationsdiskurs der Obrigkeit.
Welch ein Unterschied zur Weißenhofsiedlung! Die sah sich tatsächlich einer in Teilen faschistischen Gesellschaft gegenüber, die so gar nichts mit ihr anzufangen wusste. Der Weißenhof und seine revolutionäre Siedlung hatte mit der Kochenhofsiedlung sogar seine eigene Gegenausstellung in unmittelbarer Nachbarschaft. Vergessen wir das nicht. Heute wäre das völlig undenkbar.
Die moderne Architektur der IBA hat keine relevanten Gegner. Man wird sie präsentieren und im Grunde nicken alle andächtig ob ihrer unmittelbaren Plausibilität. Und das macht die ganze Sache so unfassbar trist, vorhersehbar und devot.