Transformation in der Region gestalten

Rede vor der Regionalversammlung am 29.03.2023 von Christian Köhler

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

es bestehen wohl kaum Zweifel daran, dass unsere Region von der Europäischen Union profitiert hat. Verstanden als Freihandelszone des freien Waren- und Güterverkehrs oder allgemeiner gesprochen als grenzübergreifende Befreiung wirtschaftlichen Handelns, hat uns die EU zumindest in ökonomischer Hinsicht sehr genutzt.

Der Green Deal der Europäischen Union ist nun in gewisser Weise das genaue Gegenteil dieser Befreiung wirtschaftlichen Handelns. Sich selbst deklariert dieser Green Deal als Wachstumsstrategie, mit der die EU den Übergang zu einer modernen, ressourcen-
effizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen will, mit dem Ziel, im Jahr 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr freizusetzen.

Tatsächlich legt er den wirtschaftlich handelnden Akteuren aber sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite ein enges Korsett aus Subventionen und Strafen an, das ihr ökonomisches Handeln beschränkt – von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsbericht-
erstattung über den Flottenverbrauch bis hin zum teuren Dämmzwang für Häuser.

Die daraus resultierenden Anpassungsprozesse der Wirtschaftsakteure sind Anpassungsprozesse an ein künstlich geschaffenes Straf- und Belohnungsumfeld. Sie haben mit

echten Innovationsprozessen nichts zu tun – auch wenn natürlich die Gefahr besteht, dass man sich diese Prozesse zu Innovationsprozessen schönredet.

Man muss diese Vorlage übrigens deutlich loben dafür, dass sie zumindest einmal die

Gefahren für die wirtschaftliche Leistungskraft unserer Region benennt. Unter der etwas harmlosen Überschrift „Herausforderungen für die Region Stuttgart und für Baden-
Württemberg“ heißt es da:

„Der weltweit wettbewerbsfähige Automotive-Cluster in der Region Stuttgart steht unter hohem Transformationsdruck. Funktionierende Wertschöpfungsketten sind gefährdet.” Und weiter: „Die hohe Innovationsfähigkeit und die hohe Wertschöpfung sind in Gefahr und
damit die Rolle als eine der wirtschaftlichen ,Lokomotiven‘ der EU.”

Die Vorlage der Regionalversammlung steht aber trotz der selbst genannten Gefahren
immer noch hinter dem europäischen Green Deal und setzt stattdessen tatsächlich auf die europäische Förder- und Beihilfepolitik. Die Wirtschaftsregion Stuttgart am Fördertopf der EU, das verspricht rosige Aussichten. Und gerade sprach ich ja vom Korsett aus
Subventionen und Strafen.

Besonders frappierend wird diese willentliche Aufgabe eigener wirtschaftlicher Stärke im Angesicht eines internationalen Umfelds, bei dem man davon ausgehen darf, dass
wirtschaftliche Konkurrenzstaaten jede Technologietransformation unter dem Primat der rein ökonomischen Stärke, frei von jeder Dogmatik, rein instrumentell nutzen werden, sprich: ein hochflexibles undogmatisches Verhältnis zu allen Technologien im Sinne ihrer rein ökonomischen Leistungsfähigkeit entwickelt haben. Das geht bis in die europäische Binnenkonkurrenz hinein, und man darf sich schon fragen, inwieweit sich Deutschland
bereits auf dieser Ebene mit seiner ökologischen Musterschülerrolle selbst ins Knie schießt.

Meine Damen und Herren, ich finde es ja auch irgendwie nett und sympathisch, dass Sie hier ernsthaft davon ausgehen, dass Hegemonialstaaten wie USA, China, Indien und Russland ihre ökonomische und direkt daran geknüpft ihre militärische Vormachtstellung ernsthaft von ihrer CO2-Bilanz abhängig machen könnten. Das zeigt Ihren guten Willen, meine Damen und Herren, ich hoffe, er wird nicht enttäuscht werden.

Am Ende stellt sich die Frage, was eine Regionalversammlung für einen Sinn hat, die der konsequenten Abwicklung der eigenen Stärke implizit zustimmt, weil sie einem Dogma folgt, das die wirtschaftliche Entkernung ihrer eigenen Region vorsieht.

Christian Köhler

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